Seit Februar 2024 produzieren die Druckmaschinen und Kompressoren die benötigte Wärme im Gebäude selbst. Für die Kühlung wird Grundwasser genutzt, automatisch gesteuert. Ein weiterer Baustein für mehr Nachhaltigkeit im Druckprozess. Das steckt hinter der nochmals ausgebauten Nachhaltigkeitsinnovation der merkur gruppe.
Man muss sich mit Roger Bourquin nicht um die Frage streiten, ob gedruckte Medien umweltfreundlicher als digitale Medien sind. Es kommt nämlich darauf an, wie viele Menschen ein Printprodukt lesen und nutzen und ob die Druckerei energieoptimiert arbeitet. Im Falle merkur fällt die Antwort auch klar aus: Seit wenigen Monaten produzieren die Druckmaschinen mehr als Papiermedien – über Kompressoren auch Wärme. Auch die Abluft wird für die in den Gebäuden benötigte Wärme und Klimatisierung genutzt. Noch ist damit der Nachhaltigkeitsprozess nicht abgeschlossen. Im Kopf des Leiters Produktion von merkur kreisen neue Ideen, von kleinsten Optimierungen bis hin zu grossen Projekten. «Wenn wir nichts tun, fliegt uns das CO2 mit entsprechenden Kosten in den nächsten Jahren um die Ohren.»
Abschied von der Fernwärme
Das jüngst abgeschlossene Wärmeprojekt schliesst sich nahtlos an die Umstellung auf VOC-freien Druckprozess im Bogenoffsetdruck mit nachhaltigen Farben und Papieren vor wenigen Jahren an. Heute ist die Atemluft in der Druckhalle frei von flüchtigen Kohlenwasserstoffen. Mit dem Abschluss des neuesten Nachhaltigkeitsprojektes sind die Liegenschaften der merkur gruppe jetzt auch noch nachhaltig geheizt und im Sommer gekühlt. Das smarte Konzept ist gemeinsam mit dem externen Partner Häusler Ingenieure aus Langenthal entstanden.
Zum einen war der Bau der dritten Druckhalle «Werk 3» Grund genug für ein ganz neues Energiekonzept im Wärme- und Kältebereich und damit die Ablösung der auf Holzschnitzeln basierten Fernwärme. Zum anderen: «Die Gebäudetechnik hat sich in den letzten Jahren massiv in Richtung Nachhaltigkeit weiterentwickelt», sagt Roger Bourquin. «Zeit für uns, die neuesten Technologien einzusetzen.»
Intelligentes Wärme- und Kältesystem
Frühere Bemühungen um das Auffinden von Grundwasser wurden wieder aufgenommen, um dieses mittels Pumpen für die Energiegewinnung zu nutzen. Auf dem Nachbarsgrundstück wurde man schliesslich fündig. Dann ging es zügig: Im Dezember 2022 starteten die Bauarbeiten. Seit Jahresbeginn ist das neue System in Betrieb und sorgt für ein perfektes Druckklima: 53% Luftfeuchtigkeit, 21 ° C im Durchschnitt. «Wir brauchen für den Druckprozess stabile Verhältnisse», sagt Roger Bourquin. «Die neue Lösung garantiert dies.»
Herzstück ist die Nutzung der Abwärme von den Kompressoren und den Druckmaschinen selbst. Beide Komponenten im Prozess erzeugen im Betrieb Abwärme, welche direkt für die Beheizung des Gebäudes genutzt wird. Überschüsse werden in einem Wärmespeicher vorgehalten. Das Resultat wird über installierte Sensoren pausenlos überwacht; die automatische Steuerung Desigo PXC von Siemens regelt das System – eine technische Gebäudeautomatisierung für Heizung, Lüftung und Klima. Intelligent, überzeugend und ermutigend: Gemäss den Betriebszahlen im ersten Quartal 2024, bei Laufzeit der Kompressoren im Drei-Schicht-Betrieb, konnten bereits 40 MWh Energie aus dem Druckprozess gewonnen werden. Die Umweltauflagen bei der Nutzung des Grundwassers wurden bisher eingehalten: Das zurückfliessende Wasser darf höchstens 3 °C Unterschied zum entnommenen Wasser aufweisen. Das Monitoring von ACT (act-switzerland.ch) zeigt, dass das Unternehmen trotz des Anbaus nur so viel thermische Energie wie im Jahr 2000 verbraucht. «Eine einzigartiges System, das wir gemeinsam realisieren durften», sagt der ausführende Spezialist Marc Schenker vom Ingenieurpartner.
Liebe fürs energieoptimierte Detail
In enger Abstimmung mit dem Ingenieurteam und dem Hersteller der Steuerung wird nun das System laufend optimiert. Bei aller Nachhaltigkeit und dem Bestreben nach Einsparung von Energie und Kosten darf aber nicht vergessen werden: «Das Druckergebnis darf niemals beeinträchtigt werden», sagt Roger Bourquin, der mit seinem Gespür fürs Detail laufend neue Energiesparpotenziale erkennt. Er arbeitet bereits am Photovoltaik-Projekt für die 3000 m2 Dachfläche mit Ladestationen auf den Aussenparkplätzen, damit Besuchende während Meetings und Mitarbeitende tagsüber gleich wieder für die Rückfahrt «tanken» können.
Bisher bringt das neue System durch die Nutzung der Abwärme von den Maschinen in der Druckhalle eine Kostenreduktion im Strombereich um mehr als 40%. Ein grosser Erfolg. Damit wird sich die merkur gruppe nicht zufriedengeben und neue Nachhaltigkeitsprojekte in Angriff nehmen. Die Geschäftsleitung sieht darin einen strategischen Vorteil und letztlich spart jedes Projekt mittelfristig auch Kosten ein.
Die Mitarbeitenden begeistert Roger Bourquin im Gespräch, erklärt und erklärt immer wieder, weshalb man jetzt diesen oder jenen Prozess anpassen, auf ein neues Produkt oder eine neue Technologie setzen müsse. Auch die Lieferunternehmen sind gefordert, wenn das Druckzentrum dereinst nur noch grössere Gebinde und Konzentrate statt chemischer Flüssigkeiten einkauft. Einfach, weil es weniger CO2 verursacht. «Es gibt viele Stellschrauben für mehr Nachhaltigkeit», sagt Roger Bourquin, «und es ist immer wieder spannend, herauszufinden, welche man wie stark anziehen muss.» Davon wird er dereinst den Gästen erzählen, wenn er sie vielleicht mal als Pensionär begrüsst und durch eines der nachhaltigsten Medienhäuser der Schweiz führt.