Wir durften drei Lernende nach erfolgreichen Abschlussprüfungen in den Bereichen Druck, Weiterverarbeitung und Kreation gautschen. Die Bedeutung dieser Tradition und warum zusätzlich noch zwei Mitarbeitende die Ehre hatten, miteinbezogen zu werden, erfahren Sie in diesem Bericht.
Die Geschichte
Gautschen ist ein bis ins 16. Jahrhundert rückverfolgbarer Buchdruckerbrauch, bei dem ein Lehrling nach bestandener Abschlussprüfung im Rahmen einer Freisprechungszeremonie auf einen nassen Schwamm gesetzt und anschliessend in einer Bütte untergetaucht wird.
In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der Begriff «Gautschen» den ersten Entwässerungsschritt nach dem Schöpfen des Papiers, das Ablegen des frisch geschöpften Papierbogens vom Sieb auf eine Filzunterlage. Die Parallelen zur religiösen Taufzeremonie sind beim Gautschen so augenfällig wie beabsichtigt. Jünger Gutenbergs, des Erfinders des Buchdrucks, sind die «Gäutschlinge» zwar bereits nach der Zeremonie. Gültigkeit hat das Ganze jedoch erst nach Ausrichtung eines Essens, zu welchem die ehemaligen Lernenden ihren Lehrbetrieb oder zumindest die Abteilung auf eigene Kosten eingeladen haben. In Form des Gautschbriefs erhalten die jungen Berufsleute bei diesem Essen eine schöne in Bleisatz und Buchdruck hergestellte persönliche Urkunde.
Kann eine ausgelernte Fachperson in einem neuen Betrieb keinen Gautschbrief vorweisen, wird sie in das nächste Gautschen miteinbezogen. (Quelle: Wikipedia und Thomas Fahrni)
Berufe entwickeln sich stetig weiter, Traditionen bleiben. Beides überlebt aber nur, wenn sich immer wieder junge Menschen begeistern lassen und weil Lehrbetriebe sie ausbilden und begleiten auf ihrem Weg zur beruflichen Reife und zu jungen Erwachsenen.
Und so erlangten drei Lernende der merkur vor Kurzem ihr Eidgenössisches Fachzeugnis: Tiziana Weiss als Polygrafin EFZ in der Kreation, Ali Khaleel Ibrahim AlRubaye als Medientechnologe EFZ im Digitaldruck und Altin Ahmetaj als Printmedienverarbeiter EFZ in der Druckweiterverarbeitung. merkur ist stolz auf die Leistungen und gratuliert den dreien zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung.
Im krassen Gegensatz zum Festakt ist das Gautschen, bevor stattfindet, eine äusserst verschwiegene Angelegenheit. Man weiss, dass es passiert, aber wann, das sollen vor allem die Lernenden nicht wissen. Hinter deren Rücken wird alles vorbereitet und der Zeitpunkt bestimmt. Zu den geladenen Gästen gehören traditionsgemäss auch die Familienangehörigen der Lernenden. Dass auch diese bis zum grossen Tag zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, kann schon mal eine Herausforderung sein.
Und so wurden Tiziana, Ali und Altin am Mittwoch, 26. Juni, pünktlich um 13.45 Uhr, mitten in der Arbeit von ihren Teams überrascht, gebändigt und dem Gautschbecken in Form eines randvoll mit kaltem Wasser gefüllten Schuttcontainers zugeführt.
Weil Nilgün Arslan, Printmedienverarbeiterin EFZ und Ausbilderin von Altin, und Iliana Iseli, Polygrafin EFZ und Teamplayerin in der Kreation, keinen Gautschbrief vorweisen konnten, wurden auch diese beiden überrascht und zum Gautschbecken entführt.
Die Gegenwehr der jungen Berufsleute nach dem überraschenden Initialruf «Packt an!» war in vergangenen Jahren auch schon bedeutend grösser. Aber vielleicht waren die fünf Gäutschlinge einfach nur clever genug, um zu wissen, dass seit jeher jeder Widerstand zwecklos ist.
Und so begrüsste eine grosse Schar Schaulustiger, bestehend aus Angehörigen der fünf und aus der merkur-Belegschaft, die Hauptpersonen. Diese wurden in kleinen Postpaketwagen von je vier bewachenden Kolleginnen und Kollegen zum Ort des Geschehens eskortiert.
Mit «Wir Jünger Gutenbergs aus helvetischen Landen …» eröffnete der Gautschmeister seine feierliche und seit Jahrhunderten überlieferte Ansprache und damit die Zeremonie. Der Reihe nach wurden die jungen Berufsleute nun aus ihren engen Gefährten befreit, um nur kurze Zeit später nicht ganz freiwillig auf einem Stuhl zu landen, der mit einem triefendnassen Schwamm bestückt war. Als Vorbereitung auf den finalen Gautschakt folgte auf die nasse «Sitzung» nun von oben ein Sturzbad aus dem Wasserkessel. Der finale Wurf ins Gautschbecken, von jeweils zwei Packern souverän vollstreckt, vollendete die Transformation zu fünf neuen, echten Jüngern Gutenbergs. Dass jeder Tauchgang mit grossem Applaus belohnt wurde, versteht sich bei einem feierlichen und feuchtfröhlichen Anlass von selbst.
Das anschliessenden Apéro bot den würdigen Rahmen für viele Gratulationen und heiteren Austausch aller Art. Dass dabei noch die eine oder der andere überraschend vom Wasserschwamm oder von einem Sturzbad getroffen wurde, gehört zur gepflegten Tradition. Und es ist mehr als ein Gerücht, dass auch schon einige Berufskolleginnen und -kollegen im Bad gelandet sind.
Die merkur medien ag freut sich sehr über die Erfolge der ehemaligen Lernenden und über die engagierten Fachkräfte. Sie halfen und helfen mit, das Medienunternehmen zu bewegen sowie Innovation und Tradition mit Leben zu füllen. Besonderer Dank gilt den ausbildenden Personen, durch deren grosses Engagement der Anteil am Erfolg wesentlich ist.
Die Teams der fünf Gegautschten freuen sich bereits auf die nächsten Festivitäten: die Gautschessen, mit denen die Zeremonie überhaupt ihre Gültigkeit erlangt. Und auch die fünf frischen Gutenbergjünger freuen sich bestimmt auf ihren Gautschbrief, ohne den sich womöglich das ganze Prozedere in anderer Anstellung wiederholen könnte.